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Handwerk in Ramelsloh – Tischlerei Ernst

Der Tischlereibetrieb Ernst steht exemplarisch für die sich wandelnden Handwerksbetriebe im ausgehenden und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bereits um 1860 erfuhr das Landhandwerk einen Aufschwung. Landwirtschaftliche Betriebe stellten aufgrund der Intensivierung der Landwirtschaf die Selbstversorgung ein. Die Industrialisierung veränderte die Anforderungen, die Bevölkerung wuchs und die nahen Städte der Region boten berufliche Chancen. Besonders zwischen der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 und der folgenden Jahrhundertwende entwickelten sich in der Region neue und expandierende Betriebe. Vom Bauboom profitierten in dieser Zeit vor allem Zimmereibetriebe sowie die Bau- und Möbeltischler.

Der Tischlermeister Johann Rudolf Harms aus Seppensen war nach seinen Wanderjahren zunächst bei der Zimmerei Eddelbüttel in Ramelsloh beschäftigt. 1896 heiratete er und baute in der Breiten Straße ein Wohnhaus mit einer Werkstatt. 1926 brannte das Wohnhaus der Familie Harms nieder. Im folgendem Jahr war das neue,
größere Haus bezugsfertig. Alle vier Söhne von Dorothea und Johann wurden Tischlermeister, die Söhne
Robert und Heinrich arbeiteten im elterlichen Betrieb. Heinrich Harms übernahm 1930 von seinem Vater die Tischlerei. 1931 heiratete Heinrich die Witwe Frieda Ernst, die zwei Söhne mit in die Ehe brachte. Ihr Sohn Harald Ernst lernte ebenfalls den Tischlerberuf. 1965 übernahm er die Tischlerei von Heinrich Harms. Die Bau- und Möbeltischlerei fertigte auch Särge. Wenn jemand verstorben war, musste es immer schnell gehen:
morgens kam der Aufragt, abends war der Sarg fertig. Zwei Söhne von Harald und Gisela Ernst lernten in den 1970er Jahren das Tischlerhandwerk. 1981 wurde die Werkstatt erweitert. Tischlermeister Andreas Ernst übernahm
den Betrieb 1992 von seinem Vater. Inzwischen betreibt die Familie Ernst die Tischlerei nicht mehr selbst.

De „Dischers“:
Ramelsloh verfügte über viele sehr unterschiedliche und früher klassische Handwerksbetriebe, wie Schmiede, Stellmacher, Schuster und Schuhmacher, Sattler, Schneider oder Zimmerer. Tischler gab es gleich mehrere, schließlich konnten Möbel aufgrund der schlechteren Infrastruktur nicht so leicht transportiert werden wie in
späteren Zeiten. „Dischers“ am Domplatz bestand bereits um 1700. Hinzu kam die Tischlerei Wilhelm Eddelbüttel
(Hinter den Höfen), nicht zu verwechseln mit der Zimmerei Wilhelm Eddelbüttel an der Horster Landstraße. Außerdem gab es noch die Tischlerei Ernst Grahle an der Horster Landstraße 200, die den Betrieb Ende der 1970er Jahre eingestellt hat.

Flugpionier und Erfinder:
Der Fliegende Tischler – Der Gründer der Tischlerei Ernst, Johann Harms, begeisterte sich für technische Neuentwicklungen und die zu dieser Zeit gerade entstehende Fliegerei. Die Gebrüder Wright, Lilienthal und andere Flugpioniere bekamen Gesellschaft aus Ramelsloh. Mit dem Ingenieur August Nesemann aus Buchholz baute Harms ab 1905 auch mit Motor angetriebene Fluggeräte. Die Flugtauglichkeit war jedoch sehr begrenzt.
Der Prototyp war eine selbstgebaute „Aeroplan“, ein Eindecker aus Holz mit Segeltuch bespannt und einem
Sternmotor versehen. Beim Flugversuch in der Seppenser Heide ging das Modell zu Bruch. Es folgten zwei weitere zum Teil abenteuerliche Flugmodelle, die es ebenfalls nicht über einige Sprünge hinausbrachten. Zum Einsatz kamen erst Gänsefedern und dann Bambusrohre, doch die Motorleistung war zu schwach und die finanziellen
Mittel für einen größeren Motor waren nicht vorhanden. Um die Kasse wieder aufzufüllen, gab es mehrere
Vorführungen der „Aeroplan“, u. a. 1910 in der Schützenhalle Buchholz und im Saal des Gasthauses zur Seeve.
Gegen eine Eintrittsgebühr von 50 Pfennig dürfe ein interessiertes Publikum das Fluggerät bestaunen und Zeuge von ohrenbetäubendem Motorenlärm werden. Nesemann erlangte 1929 noch eine kleine Berühmtheit mit seiner sogenannten „Todesraketenfahrt“. Seine Flugversuche setzte er in späteren Jahren in Pinneberg fort, sein Sponsor war der Hamburger Senator und Schiffsschraubenfabrikant Alfred Zeise. 1951 erlitt Nesemann einen tödlichen Unfall. Harms verstarb 1955.

Wer mehr erfahren will … hier geht es zum Schild als pdf:

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